Veröffentlichungsdatum: 14.08.2015
Wertung: 4/5
Saltatio Mortis ist wohl eine der bekanntesten und derzeit erfolgreichsten Mittelalter-Rock-Bands. Doch die Mannheimer Truppe entfernt sich je länger je weiter von ihrem ursprünglichen Metier und wagt sich immer öfter auf punkigere Gefilde hinaus. Während früher Geschichten aus dem romantisierten Dunklen Zeitalter den Mittelpunkt bildeten, liegt der Fokus neu auf sozial- und gesellschaftskritischen Themen. Den moderneren Texten folgt auch eine zeitgenössischere Instrumentierung, sodass griffige Gitarrenriffs mittlerweile mehr im Vordergrund stehen. Allerdings bleiben natürlich die mittelalterlichen Instrumente wie der Dudelsack weiterhin mit dabei, denn ganz ist der mittelalterliche Schalk nicht aus den Barden zu vertreiben! “Zirkus Zeitgeist“ schliesst sich praktisch nahtlos an den Vorgänger an und strotzt geradezu vor Highlights.
Den Anfang macht hier der Opener “Wo sind Die Clowns?“, der gleich zu Beginn die Richtung vorgibt. Ein weiterer wirklich grosser Song ist “Augen zu“: Eine Ballade mit stark sozialkritischem Hintergrund, der das blinde Mitläufertum und den wieder aufkeimenden Rechtsrutsch der deutschen Gesellschaft thematisiert. Etwas poppiger geht’s mit “Geradeaus“ zu und her, das ein wenig an Purs “Abenteuerland“ erinnert. Doch natürlich gibt es auch ein paar Tracks in guter alter SaMo-Manier, wie das freche Lied “Rattenfänger“, welches mit eindeutig zweideutigen Lyrics und Sound mit leichtem Gipsy-Einschlag daher kommt. In eine ähnliche Richtung geht das eingängige “Gossenpoet“, in dem die Deutschen das Spielmann-Dasein feiern. Richtig eingängig ist das Lied “Willkommen in der Weihnachtszeit“ in welchem Sänger Alea den Kommerz und die Konsumsucht um diesen Feiertag anprangert. Das Lied ist textlich so schön nachvollziehbar und durch die weihnachtliche Melodie ein absoluter Ohrwurm, den man (leider) einfach nicht mehr los wird!
In der zweiten Hälfte flacht die Albumqualität aber für mein Empfinden massiv ab – “Gaudete“, ein Pseudo-Kirchenlied im Surfer/Rock’n’Roll Gewand ist eine echte Todsünde! “Nachts weinen die Soldaten“ schwächelt ebenfalls und wirkt übermässig klischeebeladen. Allgemein muss ich leider sagen, dass ich dem Sänger die meisten Balladen irgendwie nicht so richtig abkaufe. Komposition und Ausführung sind zwar tadellos, aber irgendwie ist er nicht ganz mit dem Herzen dabei (z.B. “Erinnerung“). Den Abschluss bildet “Wir sind Papst“, ein Porträt des irritierend gepolten Patriotismus der Deutschen. Leider nicht unbedingt ein Highlight – wäre schöner gewesen das Album mit einem weiteren Knall ausklingen zu lassen!
Fazit: “Zirkus Zeitgeist“ ist ein sehr gelungenes Album und zeigt deutlich, dass Saltatio Mortis ihre Wurzeln zwar nicht vergessen haben, aber nun eindeutig zu neuen Hafen aufgebrochen sind. Musikalisch wird die Truppe immer besser, besonders Sänger Alea hat sich seit den letzten Alben merklich gesteigert. Die Lyrics sind sehr gehaltvoll und beweisen ein besonderes Geschick mit Worten, welches sich leider nur mehr selten findet bei den zahlreichen Deutschrock-Bands die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Ich bin mit eher gemischten Gefühlen an dieses neue Werk herangetreten und muss nun ehrlich sagen: Saltatio Mortis haben mich einmal mehr überzeugt! Sie sind erwachsen geworden und ihr Sound ist nun deutlich reifer. Fans der alten Tage dürfte diese Entwicklung vielleicht enttäuschen, aber ich persönlich finde, es steht ihnen sehr gut! Unbedingte Kaufempfehlung!