Archiv des Autors: Milo Schärer

The Menzingers (USA) – 8.2.2018

Dynamo Werk 21, Zürich

Support: Cayetana (USA) / PUP (CAN)

Philadelphia hat sich in den letzten Jahren dank Künstler wie Modern Baseball oder Waxahatchee den Ruf als Epizentrum für Indie und Punk erarbeitet. Mit The Menzingers beehrt Zürich an diesem Abend einer der prominentesten und besten Bands aus dieser berüchtigten Szene. Ihr poppiger Punk à la Against Me!, The Bouncing Souls oder The Gaslight Anthem passt perfekt ins Werk 21, bekannt für energiegeladene, schweisstreibende Punk-Konzerte. Dass das Werk 21 ausverkauft ist, überrascht nicht, da Greg Barnett (Gesang/Gitarre), Tom May (Gitarre/Gesang), Eric Keen (Bass) und Joe Godino (Schlagzeug) im vergangenen Jahr 2017 mit After the Party das vielleicht beste Album ihrer Karriere herausgegeben haben.

Den Abend eröffnen die ebenfalls aus Philadelphia stammenden Cayetana, welche stilistisch zwischen Pop-Punk und Indie Rock liegen. Ihre Musik wird durch den intensiven Einsatz der Schlagzeugerin Kelly Olsen und den melodischen Basslines von Allegra Anka angetrieben, es ist aber Frontfrau Augusta Kochs raue Stimme, welche ihren Sound ganz einzigartig macht. Cayetana spielen mit Bus Ticket und Mesa zwei absolute Highlights aus ihrem 2017 Album New Kind of Normal wie auch einige Songs von ihrem Debut Nervous Like Me. Ihr Auftritt war etwas kurz für eine Band, die für ihr letztes Album so viele hervorragende und vor allem variantenreiche Songs geschrieben hat. Ihre emotional tiefgründige Musik passt vielleicht auch nicht ideal zu diesem Publikum, welches zwar beim Abgang von Cayetana klatscht, aber für eine Punk-Party mit viel Mitschreien und Moshpits gekommen ist. Wenn Cayetana so weitermachen wie bisher, sollten sie aber keine allzu grosse Mühe haben, in naher Zukunft als Headliner Konzertlokale zu füllen.

Als zweite Vorband an diesem Abend treten PUP aus Canada auf, sie spielen Fun-Punk mit Hardcore-Einflüssen und viel selbstdeprimierendem Humor. Im mittlerweile gut gefüllten Werk gibt es einen regelrechten Moshpit, als junge, eingefleischte Fans nach vorne zur Bühne stürmen und jeden Songtext mitschreien. Die Band kann dem Publikum in puncto Energie das Wasser reichen, Sänger und Gitarrist Stefan Babcock hüpft während ihrem ganzen Auftritt hyperaktiv auf der Bühne herum und besteigt auch mehrmals das Schlagzeug von Zack Mykula. PUP sparen aber das Beste für das Ende ihres Auftritts, als sie If This Tour Doesn’t Kill You, Then I Will und DVP vom Album The Dream Is Over zu einem einzigen, grossen Mosh-Fest fusionieren.

Das unterdessen ziemlich zerquetschte Publikum im Keller des Dynamos ist also bestens eingestimmt für The Menzingers, welche vor dem ersten Ton bereits energetisch gefeiert werden, da Tom May ein T-Shirt der Hafenkneipe, eines wie das Werk 21 beliebtes Punk-Lokals, trägt. The Menzingers eröffnen ihren Auftritt mit Tellin’ Lies, dem ersten Track von After the Party. Als Greg Barnett fragt: „Where do we go now that our 20s are over?“, singen auch Fans mit, die etwas jünger sind als Barnett selbst. Die Band spielt ihre Lieder an diesem Abend mit wenigen Unterbrüchen, nach einigen Songs pausiert Barnett erstmals, um anzukündigen: „This song’s called Charlie’s Army“. Dieses Lied über einen eifersüchtigen Ex-Freund hat eines der eingängigsten Refrains im ganzen Menzingers-Katalog, wie man am Publikum, welches „Charlie’s army coming for me“ lauthals mitschreit, erkennt. Wie zuvor bei PUP zuvor bildet sich ein schweissiger Moshpit, so dass Tom May nach Thick as Thieves eine Pause macht, um verlorene Portemonnaies und Handys an das Publikum zu verteilen. Danach spielen The Menzingers etwas ältere Lieder von den Alben On The Impossible Past und Rented World, von denen The Obituaries das Publikum am meisten begeistert. Auf der Setlist dieses Abends befinden sich zu einem sehr grossen Teil allerdings Material von After the Party, Lieder wie Bad Catholics zeigen, weshalb dies etwas Gutes ist. Es werden Geschichten aus dem amerikanischen Rust Belt erzählt, aber mit grossartigen Refrains, die auch das Zürcher Publikum sehr gerne mitsingt. Der Höhepunkt bezüglich Lautstärke und Moshpit-Chaos an diesem Abend bildet vermutlich den grössten Hit der Menzingers, I Don’t Wanna an Asshole Anymore, welches vor Lookers das zweitletzte Lied der Band ist, bevor sie von der Bühne gehen. Sie kommen aber auf lautstarkes Verlangen des Publikums für zwei weitere Songs zurück, After the Party und In Remission.

Diejenigen, welche sich ein Ticket für dieses Konzert sichern konnten, dürfen sich glücklich schätzen, drei hervorragende, wenn auch ganz unterschiedliche, zeitgenössische Punk-Bands an einem Abend gesehen zu haben. Das ausverkaufte Werk 21 ist alles andere als geräumig, den mitgerissenen Fans in den vorderen Reihen schien dies aber nichts auszumachen. Wer dabei war, wird noch lange von diesem Abend sprechen.

Bild: The Menzingers (v.l.n.r.): Eric Keen, Joe Godino, Greg Barnett, Tom May (Bildquelle: Epitaph Records)

Konzert Review: Meat Wave 31.1.2018

Kurz vor 9 Uhr betreten Sänger/Gitarrist Chris Sutter, Bassist Joe Gac und Schlagzeuger Ryan Wizniak die Bühne der Hafenkneipe im Zürcher Kreis 4, umgeben von Plastikmöwen und Modellschiffen. Sutter bedankt sich beim Publikum und stellt seine Band kurz vor: „We’re Meat Wave from Chicago.“ Meat Wave spielen Lo-Fi-Noise-Punk, der etwa an Cloud Nothings oder Steve Albinis Shellac erinnert. Albini hat übrigens auch The Incessant, Ihr Album aus dem vergangenen Jahr, produziert. Mit „The Incessant“, was so viel wie „das Unaufhörliche“ bedeutet, beschreibt Sänger Chris Sutter die ununterbrochene, selbstzerstörerische Angst, die er auf dem Album konfrontiert.

Meat Wave eröffnen das Konzert, nach einer Bemerkung über ihre schöne Fahrt durch die Alpen, mit No Light, einem der melodischeren Stücken von The Incessant. Man erkennt an seinen geschlossenen Augen und rauen Stimme, wie emotional dieses Lied für Sutter ist. Das Publikum, welches sowohl aus Zürcher Hipster um die 25 wie auch ältergewordenen ehemaligen Punks besteht, ist sofort begeistert. Schlagzeuger Wizniak zieht sein T-Shirt aus und die Band startet mit Erased vom 2015 Album Delusion Moon.

Nach diesem Song bemerkt Sutter: „When we got here, they started getting us drunk immediately. So now we’re totally wasted.” Mit der riesigen Auswahl an Bier und Spirituosen in der Hafenkneipe überrascht dies nicht, man würde es aber an der Präzision, mit der Sutter seine schrägen, verzerrten Gitarrenklänge spielt, nicht erkennen. Meat Wave spielen nachher 3 Songs von The Incessant hintereinander, zuerst den Title-Track. Die Songs gehen ohne Unterbruch direkt ineinander über, und haben live längere Instrumentalabschnitte als auf dem Album.

Als das Publikum die Band danach feiert, applaudiert Sutter ebenfalls das Publikum, bevor die Band weitere Tracks von The Incessant wie auch Cosmic Zoo von Delusion Moon spielt. Bassist Gac hüpft bei diesen Songs, wie auch sonst an diesem Abend, auf der kleinen Bühne der Hafenkneipe herum. In der vorderen Reihe wird ebenfalls voller Freude mitgetanzt, entsprechend bedankt sich Sutter erneut beim Publikum und kommentiert noch: „I have a feeling we’re going to do some fucking partying after this.“

Mit Leopard Print Jet Ski und Bad Man spielen Meat Wave zwei der besten Tracks von The Incessant, aber beim darauffolgenden Song Sunlight zeigt die Band erst recht, weshalb ihre Musik als „Noise Rock“ bezeichnet wird. Schlagzeuger Wizniak liefert seinen wuchtigsten Einsatz des ganzen Abends, und Sutters dissonante Gitarrentöne werden in so viel Feedback getränkt, dass den Zuhörern die Ohren richtig schmerzen. Das war es aber definitiv Wert, und Sutter kündigt noch einige weitere Lieder an.

Run You Out und Delusion Moon bilden einen melodischen Kontrast zu den vorherigen lärmigen Stücken, man könnte sie fast als Power-Pop bezeichnen. Der emotionale Höhepunkt des Konzerts folgt aber in Form von Killing The Incessant. In diesem Song beschreibt Sutter, wie er seine Angstgefühle besiegen konnte. Mit geschlossenen Augen erlebt Sutter seinen Moment der Katharsis auf der Bühne, als er ins Mikrofon schreit.

Von diesem Höhepunkt kommt die Band aber auch schnell wieder runter, Sutter kündigt ganz ruhig an, die Band werde noch zwei Songs spielen. Diese sind Sham King und Brother, zwei pulsierende Punk-Rock Nummern, welche die Energie im Publikum noch zum letzten Mal ansteigen lässt. Die Band verabschiedet sich kurz und knapp, aber Bassist Gac unterhält sich für längere Zeit mit dem Publikum. Die T-Shirts, welche die Band am Merchandising-Tisch verkauft, lassen sich auch sehen, auf einem Exemplar ist ein kiffender E.T. abgebildet.

Meat Wave haben bei ihrem Auftritt in der Hafenkneipe auf voller Bandbreite überzeugt, darüber war sich das Publikum einig. Insbesondere die Stücke von The Incessant tragen live eine emotionale Wirkung, die sich auf der Platte nur andeuten lässt. Die Hafenkneipe mit ihrer intimen Atmosphäre war deshalb auch das perfekte Lokal für dieses Konzert, und tatsächlich haben Band und Publikum nach dem Auftritt noch weiter gefeiert, wie von Sutter angedeutet. Dies war Meat Waves erster Auftritt in der Schweiz, und wer ihn verpasst hat, sollte sich die Band beim nächsten Mal unbedingt anhören.

Bildquelle: allmusic.com